Ab und zu braucht man einen „Freisteller“: gemeint ist hier, das Motiv mit fotografischen Mitteln aus seiner Umgebung zu lösen und per Fotomontage in eine andere Umgebung einzufügen. Bei Motiven mit stark unregelmäßigen Umrissen, wie etwa Blumen, kann das zu einer echten Herausforderung werden. Aber es gibt einen einfachen Trick, der einem das Leben sehr erleichtern kann.
In der Straßenbahn lesen? Kein Problem, hier sind die Haltestellen 🙂 :
Einfach gehalten Wie funktioniert’s?
Was ich aber rausfinden wollte Der Beleuchtungsaufbau
Anbindung der Blitzgeräte Alles eine Sache der Einstellung
Die Nacharbeit Spiel ohne Grenzen?
Einfach gehalten:
Recht einfach geht es beispielweise noch, wenn das Motiv vor dem Hintergrund bleiben kann, vor dem es fotografiert wurde. Um eine klarere Bildaussage zu bekommen reicht es bisweilen aus mit einer langen Brennweite, weit geöffneter Blende und entsprechendem Abstand zum Hintergrund zu arbeiten. Motiv scharf, Hintergrund unscharf, fertig.
Wie immer: Für ein größeres Bild einfach drauf klicken
Anders kann das aber aussehen, wenn man etwa Gegenstände vor neutralem Hintergrund fotografieren oder sogar in eine andere Umgebung hineinkopieren möchte: hier muss der Hintergrund oft mehr oder weniger aufwendig entfernt werden.
Bei Gegenständen mit einfachen Umrissen ist das vielleicht noch eine überschaubare Angelegenheit und mit dem Auswahl- oder Pfadwerkzeug relativ leicht zu bewerkstelligen. Was aber, wenn das Motiv im Bild aus „zerfransten“ Umrissen und vielen kleinen Einzelflächen besteht, die sich gegenseitig nicht berühren oder überlappen? Dann ist Mühevolle Handarbeit angesagt. Und hier setzt der Trick an.
Zugegeben, die Vorgehensweise, die ich hier beschreibe, ist nicht neu und schon gar nicht auf meinem Mist gewachsen. Berufsfotografen wenden diese Technik schon lange an und von denen habe ich mir das auch abgeschaut.
Wie funktioniert’s?
In der Theorie ist alles (wie immer 😉 ) ganz einfach und in drei Schritten zu erledigen:
- Man macht eine Aufnahme seines Motivs mit korrekter Belichtung, dabei bleibt der Hintergrund dunkel.
- Für die nächste Aufnahme wird das Hauptlicht aus- und das Hintergrundlicht eingeschaltet, man macht also eine Gegenlichtaufnahme seines Motivs.
- Diese Gegenlichtaufnahme wird in der Nacharbeit im Kontrast soweit verbessert, dass eine reine Silhouette mit möglichst scharfen Rändern entsteht, die dann als Maske für das Freistellen herhalten kann und schon ist man fertig. Dabei ist es wichtig, dass zwischen den beiden Aufnahmen weder die Kamera noch das Motiv bewegt werden.
Was ich aber rausfinden wollte
war, ob das auch mit kleinem Budget und Aufsteckblitzen zu Hause auf dem Wohnzimmertisch funktioniert. Also habe ich einen kleinen Versuchsaufbau gestartet und das Ganze mal durchgespielt.
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Zum Einsatz kamen:
- ein Yongnuo -560 IV Blitz mit Softbox und Wabe zur Motivbeleuchtung in Gruppe A
- zwei Yongnuo -560 III Blitze zur Hintergrundbeleuchtung, beide in Gruppe B
- ein YN 560-TX als Master zur Steuerung der Blitzgeräte
- zwei Transceiver vom Typ RF-603, einer davon mit Kabel zum Auslösen der Kamera
- einige dieser Foamboard- Platten, die es im Bastelladen für kleines Geld zu kaufen gibt
Der Beleuchtungsaufbau
Zuerst hatte ich nur die Softbox mit normalem Diffusor zur Beleuchtung der Pflanze genommen, aber durch den zu keinen Abstand zum Hintergrund erhielt dieser noch zu viel Licht von der Box. Abhilfe brachte dann der Einsatz der Wabe, die Box streute weniger und die Wand blieb so deutlich dunkler.
Um den Hintergrund möglichst gleichmäßig zu beleuchten kann man die beiden Blitzgeräte auch direkt auf die Wand richten und dann „über Kreuz“ blitzen (also den linken Blitz auf die rechte Wandseite und umgekehrt). Bei meiner geringen Entfernung zwischen Wand und Blitz war mir das Risiko der Bildung eines Hotspots aber zu hoch und so habe ich kurzerhand Foamboard-Platten in V-Form aufgestellt und in dieses zur Wand hin offene V hineingeblitzt. Das sorgt für eine schöne gleichmäßige Lichtstreuung.
Man muss hier nicht unbedingt Foamboard nehmen, das geht auch mit ein paar Blatt Kopierpapier, die mit Tesafilm auf einen Karton geklebt werden. Wichtig hierbei: Je größer die Fläche, in die Ihr hineinblitz, desto gleichmäßiger wird der Hintergrund ausgeleuchtet. Wie Ihr in den „making-of“ Bildern sehen könnt habe ich hier auch ein Stück Zeichenkarton als Ersatz für eine vierte Platte benutzt.
Oben auf diesen V-Reflektoren seht Ihr je eine schwarze Foamboard-Platte. Diese Abschatter verhindern wirkungsvoll, dass auch Licht nach oben an die Decke abgestrahlt und von dort zurück auf die Blumen reflektiert wird.
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Anbindung der Blitzgeräte
Angedacht war, dass ich den Controller YN 560 TX wie gewohnt in den Blitzschuh der Kamera stecke, aber sowohl beim Ein- bzw. Ausschalten der Blitzgruppen als auch beim Auslösen habe ich gemerkt, dass da -trotz Stativ- doch ein wenig Bewegung auf die Kamera übertragen wurde. Da für diese Methode die beiden Bilder aber absolut deckungsgleich sein müssen wollte ich jede Berührung der Kamera vermeiden.
Ein erster Gedanke war, die Aufnahme per Infrarot auszulösen, das hätte aber immer noch Probleme beim Umschalten der Blitzgruppen gegeben. Deshalb habe ich kurzerhand die beiden RF-603 Transceiver rausgekramt und die Kamera damit erschütterungsfrei über Funk ausgelöst. Dass man die Leistung der Blitze trotzdem noch steuern kann hatte ich ja schon einmal in an dieser Stelle im Zusammenhang mit Makroaufnahmen kurz beschrieben.

Was hier nach Ferauslöser-technischem Overkill aussieht ergibt durchaus Sinn: weder zur Änderung der Blitzleistung noch zum Auslösen muss ich die Kamera berühren. Verwackelungsfreiheit garantiert 😉
Den lose herumliegenden RF-603 benutze ich als Auslöser (durch betätigen den Test-Buttons am 560-TX werden nur die Blitze ausgelöst, nicht jedoch die Kamera), der RF-603 auf der Kamera löst seinerseits die Kamera und die Blitze aus. Natürlich sollten alle Geräte auf die gleiche Frequenz eingestellt sein. Per 560-TX kann ich jetzt bequem und ohne die Kamera zu berühren die Blitzgeräte der einzelnen Gruppen in der Leistung regeln und ein- bzw. ausschalten.
Alles eine Sache der Einstellung
Im Internet wird darauf hingewiesen, dass man den Hintergrund für die Maske nicht, wie bei normalen Freistellern üblich „ausbrennen“, also mit 1 bis 1 ½ Blenden überbelichten soll, sondern die Belichtung soll so gewählt werden, dass man einen Grauton erhält. An den Kanten treten dann keine Überstrahlungen auf und damit wird es einfacher, eine scharfe Maske zu erstellen.
Da dies mein erster Versuch in dieser Richtung war habe ich einige Aufnahmen mit verschiedener Leistungseinstellung für den Hintergrund gemacht und mich so langsam an die richtige Belichtung herangetastet. Entschieden habe ich mich für die Aufnahmen, bei der der Hintergrund wirklich sehr hell war (Kamera-Histogramm, Peak ganz rechts). Das Histogramm in PS/E zeigt mir Werte zwischen 235 und 250 an, siehe Bild Silhouette SOOC.
Beide Aufnahmen wurden mit den gleichen Parametern gemacht:
Für die Kamera
- 1/250 Sekunde
- bei Blende f/8
die Einstellung der Blitze war
- Gruppe A für die Orchidee: 1/32
- Gruppe B für den Hintergrund: 1/8 +0,3,
wie Ihr im Bild oben noch erkennen könnt.
Das sieht jetzt auf den ersten Blick so aus als wäre doch etwas mehr als zwei Blendenstufen für den Hintergrund nötig, aber der Umweg über die V-förmigen Reflektoren schluckt etwas Licht und die Tapete ist auch nicht weiß sondern erheblich dunkler.
Die Nacharbeit
Der Rest ist schnell gemacht und etwa in der Zeit zu erledigen, die Ihr hier zum Lesen braucht 😉 . Dazu habe ich beide Bilder in Photoshop-Elements geladen.
Zuerst wird die Maske erstellt. Begonnen habe ich mit einer Tonwertkorrektur, die Einstellungen könnt Ihr zwar im Screenshot erkennen, aber da müsst Ihr vermutlich bei jedem Bild individuell nach den Einstellungen mit dem besten Ergebnis suchen. Mit einer weiteren Einstellungsebene Schwellenwert konnte ich das Ergebnis noch einmal leicht verbessern.
Nach diesem Schritt war ich mit der Maske erst einmal zufrieden und habe mit der Tastenkombination Shift- Strg-Alt-E alle drei Ebenen zu einer neuen zusammengefasst. Auf dieser Ebene wird mit Strg-A alles markiert und mit Strg-C alles in die Zwischenablage kopiert.
Jetzt wechseln wir zum Bild der Orchidee und fügen dort mit Strg-V die Kopie der Maske als neue Ebene ein. Zur besseren Kontrolle habe ich die Hintergrundebene umbenannt und eine neue Ebene darunter eingefügt, die ich des besseren Kontrastes wegen mit gelber Farbe gefüllt habe.
Jetzt markieren wir wieder unsere Ebene mit der eingefügten Maske und klicken mit dem Zauberstab-Werkzeug auf die schwarze Fläche, Toleranz vorher auf „0“ stellen.
Die „umlaufenen Ameisen“ zeigen uns, dass die Blume komplett markiert ist, der Balken rechts und oben über der Blüte und die Reste der Tischdecke brauchen uns erst einmal nicht weiter zu interessieren.
Mit Strg-C wird der schwarze Bereich in die Zwischenablage kopiert, dann mit einem Klick auf das Augensymbol die Maskenebene unsichtbar geschaltet. Jetzt markieren wir die Ebene mit dem Bild und klicken oben links neben dem Vorhängeschloss auf das Symbol für Ebenenmaske hinzufügen – und schon erscheint unsere Orchidee vor dem gelbem Hintergrund.
Jetzt lassen sich anhand der quietschgelben Farbe auch leicht die Stellen ausfindig machen, an denen die Maske noch nachgearbeitet werden muss. Das ist aber kein Problem und geht mit dem Pinsel –Werkzeug recht schnell.
Nachdem die letzten Ausbesserungen auf der Maske erledigt waren habe ich das endgültige Hintergrundfoto ausgewählt und mit dem Gaußschen Weichzeichner versucht, eine Unschärfe zu erzeugen, wie sie in etwa aufgetreten wäre, wenn man das Foto mit einer langen Brennweite bei offener Blende gemacht hätte. Anschließend wurden noch alle nicht mehr benötigten Ebenen gelöscht, die übrigen zusammengefasst, das Bild für den Blog verkleinert und leicht nachgeschärft.
Das war’s, mein Ergebnis seht Ihr hier.
Wie Ihr seht sind die Vorarbeiten nicht sehr aufwendig und im Prinzip könnte man das sogar mit nur einem entfesselten Aufsteckblitz machen. Die Nacharbeit in Photoshop hält sich ebenfalls in Grenzen und das Ergebnis fällt recht ansprechend aus. Ich für meinen Teil bin mit dem Ausgang des Versuchs bis hierher ganz zufrieden und werde das in Zukunft sicher öfter so machen, wenn ich mal wieder einen kniffeligen Freisteller brauche.
Spiel ohne Grenzen?
Wenn Ihr bis hier hin mitgelesen habt, dann habt Ihr sicher auch die “Schwachstelle” dieser Methode bemerkt: sie eignet sich nur für statische Motive, zumindest wenn Ihr mit kleinem Budget und Aufsteckblitzen arbeitet. Bedingt durch die Pause zwischen den Aufnahmen zum Ausschalten der Blitzgeräte Gruppe A und Einschalten der Gruppe B fallen alle Motive weg, die sich bewegen. Auch wenn es sich hier um nicht ganz eine Sekunde handelt, für bewegte Motive dauert das allemal zu lange.
Ich hoffe dass ich Euch was Interessantes zeigen konnte und dass die eine oder andere Anregung für Euch dabei war. Für den Fall dass Ihr mehr über diese Technik erfahren wollt und wie man das mit entsprechend professionellem, dafür aber auch etwas teurerem Gerät –dann sogar mit bewegten Motiven– machen kann, habe ich Euch noch die beiden folgenden Videos verlinkt:
- Foto Morgen zeigt wie Freistellen mit der Easy Cap Funktion des neuen Jinbei HD-601 HSS geht:
- Torsten Schoepe zeigt wie die Systeme Hensel Freemask und Freemask 1000 funktionieren – letzteres zwar mit höherem Materialaufwand, dafür lassen sich aber sogar Portraits sauber freistellen, bei denen eine Windmaschine die Haare ordentlich herumgeweht hat. Beeindruckend:
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